Chronik

Am 23. Februar 1930 wurde der Kleintierzüchterverein Sielmingen im Gasthaus „Linde“ gegründet. Im Protokoll wurde damals festgehalten: „24 gestandene Männer kamen betreffs Gründung eines Geflügel- und Kaninchenzüchtervereins in der „Linde“ zusammen. Als Gast hatte sich auch der Ehrenvorstand Karl Schlecht aus Bernhausen eingefunden, der uns viel Gutes zur Gründung wünschte.“ Weiterhin lässt sich dem Protokoll entnehmen, dass bei der damaligen Versammlung alle Mitglieder vollzählig erschienen. Welcher Vereinsvorstand blickt nicht ein wenig wehmütig und sicher nicht ganz ohne Neid auf diese Zeiten zurück, die das Vereinsleben mit großem Engagement und Zusammenhalt prägten.

Gründungsprotokoll
Gründerfoto

Wenn sich Personengruppen in ihrer Freizeit treffen, dann tun sie das entweder zur Wahrnehmung spezieller Interessen oder zur Pflege einer gemeinsamen Liebhaberei. So war es auch hier. Die Züchter wollen über ihre Kaninchen, Hühner, Tauben, Enten und Gänse miteinander fachsimpeln. Durch gegenseitige Unterstützung und Anregung konnten Zuchterfolge erzielt und so mancher Preis errungen werden. Anschauungsunterricht aus erster Hand fand vor allem bei den jährlichen Stallrundgängen statt. Die erste Stallbegehung war am 28. September 1930. Festgestellte Mängel wurden offen dargelegt und besprochen. Schon beim zweiten Rundgang hatte sich sehr viel zum positiven verändert, da man aus den Fehlern der Zuchtkameraden am besten lernen konnte. Die Zuchtziele haben sich seit jener Zeit freilich grundlegend geändert. Im Gegensatz zu heute lag 1930 die Priorität bei den Hühnern noch auf einer guten Legeleistung, das Ausstellen war zweitrangig. Futtergrundlage waren Kartoffeln, Kleie und natürlich auch Weizen. Die Zuchttiere suchten ihr Futter hauptsächlich im Garten, auf der Dorfstrasse oder scharrten auf dem Misthaufen herum. Während früher die Züchter überwiegend vom Gefühl geprägt war, so erfolgt die Vorgehensweise heute systematisch.

Den Züchtern werden Zuchtgesetze und die Führung von Zuchtbüchern auferlegt. Der Erfahrungsaustausch unter den Züchtern, sowie gemeinsame Anstrengungen führten dazu, dass im Laufe der Zeit die alten Rassen wesentlich verbessert und neue Rassen und Farbenschläge in die Zucht aufgenommen werden konnten. Die Zwerghuhnzucht erfreut sich zunehmender Beliebtheit, da der Platzbedarf geringer ist, als bei den großen Rassen. Immer weniger Züchter haben heute noch die Möglichkeit, ihre Tiere bei sich zu Hause artgerecht zu halten. Das war auch der Hauptgrund, der uns schon frühzeitig zum Bau unserer Zuchtanlage bewegt hat.

Gasthof Linde
Ententeich in der Zuchtanlage
Tauben werden bis heute mit großem Erfolg im Verein gezüchtet. Freies Fliegen, wie noch zu Beginn der Vereinsgeschichte, ist jedoch kaum mehr möglich. Die Tiere werden heute größtenteils in Volieren gehalten. 1930 lag der Schwerpunkt des Vereins noch in der Aufzucht von Kaninchen. Im Laufe der Jahre hat sich das Verhältnis zum Geflügel ausgeglichen. Auch bei den Kaninchen wird aus Platzgründen die Zucht von kleinen Rassen bevorzugt. Wirtschaftliche Interessen stehen bei der Kleintierzucht nicht im Vordergrund. Dies schließt nicht aus, dass in den geldknappen 30er Jahren mehr Tiere als heute verkauft wurden (nach dem Motto: die Guten zur Ausstellung, die schlechten in die Pfanne). Das große Geld ließ sich, damals wie heute, allerdings nicht machen, denn der Schlachtpreis eines Hasen belief sich um 1030 je nach Gewicht auf ca. 5, - Reichsmark. Heute muss man ein Vielfaches bezahlen. Kaninchenfelle haben heute in der Pelzwirtschaft kaum noch eine Bedeutung. Für die Kleintierzüchter ist es nicht mehr lohnend, die Arbeit des Spannens und Trocknens auf sich zu nehmen, es sei denn für Bastel- und Näharbeiten der Frauengruppen. Es ist schade, dass manch schönes Fell heute weggeworfen wird.

Aushängeschild des Vereins waren schon von jeher die Lokalschauen. Da schlägt sich denn nieder. Was im Verein durch viel Fleiß, Ausdauer, Kameradschaft und Tierliebe im Laufe eines Jahres geschafft wird. Die erste Lokalschau fand schon im Gründungsjahr am 30. November 1030 in der alten Turnhalle statt. In den Folgejahren fanden diese Ausstellungen im Wechsel in den Gasthöfen „Ochsen“, „Lamm“ und „Linde“ statt. Um das finanzielle Risiko möglichst gering zu halten- die Eintrittsgelder konnten die Kosten nie decken- hat man jeweils ein „Röllesspiel“ (heute „Tombola“) durchgeführt. Die Einnahmen durch die Mitgliedsbeiträge waren damals, wie heute sehr gering. Die ungefähr 30 Mitglieder zahlten bis 1939 einen Monatsbeitrag noch 0,20 Reichsmark und später ganz 3, - Reichsmark im Jahr. Manche Ausstellungen wären nicht zustande gekommen, wenn „treue Seelen“ nicht die benötigten Ausstellungskäfige von den umliegenden Vereinen ausgeliehen hätten. Mit der Zeit konnten vom ersparten Geld vereinseigene Käfige angeschafft werden. Heute verfügt der Verein über genügend eigene Käfige.

Preisblatt Lokalschau
Lokalschau

Im Dritten Reich sollte dann noch der „Vier Jahresplan“ erfüllt werden, dieser stand natürlich dem Grundsatz des Züchters entgegen. Gefragt war nicht mehr Qualität, sondern Quantität. Die Kriegsereignisse warfen den Verein in seiner Entwicklung weit zurück, denn viele Mitglieder wurden zum Mitnehmen zum Militärdienst einberufen. Eine Jungtierschau konnte deshalb im Sommer 1940 nicht mehr abgehalten werden. In der ersten Nachkriegsversammlung, die im Jahr 1947 stattfand, appellierte der damalige Vorstand an alle anwesenden Mitglieder, den Verein wieder aufleben zu lassen. Jeder müsse wieder zupacken und seine Pflicht tun. In der Nachkriegszeit gestaltete sich eine geregelte Vereinsarbeit und die Aufzucht der Tiere sehr schwierig. Grund dafür waren Armut und Knappheit an Futtermitteln. Doch auch diese Zeit ging endlich vorbei. Die verbliebenen älteren Mitglieder standen den Jungen mit Rat und Tat zur Seite. Die erste Lokalschau nach dem Krieg konnte nach Überwindung zahlreicher Hindernisse erst im Januar 1948 stattfinden. Im aufstrebenden Deutschland erlebte auch der Kleintierzuchtverein seinen stetigen Aufschwung. Im Jahr 1953 wollte die Gemeinde Sielmingen eine Turn- und Festhalle errichten, die auch den Vereinen dienen sollte.

Die Jugendlichen sollen nicht nur zur Tierzucht angeregt werden, sondern auch in ihrer Freizeit lernen, sich sinnvoll zu beschäftigen. Schwierigkeiten, wie in manch anderer Jugendgruppe gibt es kaum, da die Kinder die Tierliebe verbindet. Ansporn und Erfolgserlebnisse erhalten sie durch vom Verein und Landesverband verliehene Jugendpreise. Viele Jahre verkaufte die Jugendgruppe ihre selbstgebastelten Erzeugnisse, die das ganze Jahr mit viel Fleiß und Ausdauer hergestellt wurden. Seitdem die jährlichen Ausstellungen, in den 60er und 70er Jahren, in der Gemeindehalle stattfanden und durch Sonderschauen und unsere abwechslungsreiche Bühnengestaltung attraktiv gestaltet wurden, stieg auch das Interesse der Bevölkerung an unserem schönen Hobby. Die Resonanz an diesen Veranstaltungen lag in manchen Jahren bei über 1.000 Besuchern. Die Mitwirkung an verschiedenen Festen beweist, dass sich der Kleintierzuchtverein am kulturellen Leben in der Gemeinde beteiligt.

Auf dem Gelände unserer Zuchtanlage fand bereits seit Mitte der 70er Jahre eine jährliche Vereinshokketse statt. Daraus entwickelte sich 1978 unser nun schon traditionelles Göckelesfest mit Hahnenwettkrähen, das in diesem Jahr nun schon zum 28. Mal stattfand. 1981 begann die bedeutendsten Aktivitäten in unserer seitherigen Vereinsgeschichte. Nach mehrjährigen Verhandlungen mit der Stadt und sonstigen Behörden, konnte im Februar mit den Bauarbeiten für unsere Zuchtanlage im Weiler begonnen werden. Durch großen Einsatz vieler fleißiger Vereinsmitglieder und großzügigen Spenden zahlreicher Firmen war es möglich, bereits am damaligen Göckelesfest an 5 Häuschen Richtfest gefeiert. Genau 1 Jahr später wurde der erste Bauabschnitt seiner Bestimmung übergeben. Hinter all dem stand als treibende Kraft unser damaliger unermüdlicher Vorstand, Heinz Weinmann. Trotz unserer ununterbrochenen Bautätigkeit richteten wir im Zuchtjahr 1983 eine große Kreisschau des KV Obere Filder in der Reithalle im Emerland aus. 1984 fand im Festzelt beim Göckelesfest der Jubiläumsabend zum 25-jährigen Bestehen unserer Jugendgruppe statt. Hierbei spendete Kreisvorstand Walter Straub für die Kreisjugend einen Wanderpokal. Bei überörtlichen Schauen beteiligten wir uns regelmäßig und recht erfolgreich. So auch 1985 an der Geflügelvergleichsschau in Bitz, bei der 10 Züchter unseres Vereines mit 50 Tieren den 2. Platz belegten. 1986 bekamen wir die Genehmigung und konnten so im August mit dem Bau eines geplanten Aufenthaltsraumes mit WC und Lageraum beginnen. Dank vieler fleißiger Helfer konnte das Dach noch vor dem ersten Schneeeinbruch fertig gestellt werden. Auch in der Öffentlichkeitsarbeit blieben wir nicht untätig und beteiligten uns 1987 an der Einweihung des „Bürgerhaus Sonne“ sowie am Kirchplatzfest. Im Jahr 1989 gab unser langjähriger Vorstand, Heinz Weinmann, sein Amt in jüngere Hände ab. Im gleichen Jahr wurde beschlossen, die Züchter beim Brüten, Beringen, Tätowieren und Ausstellen finanziell zu unterstützen.

Göckelesfest

Da unser Verein im Jahr 1990 auf sein 60-jähriges Bestehen zurückblicken konnte, richteten wir im Jahr die Kreisschau Geflügel aus. Außerdem veranstalteten wir im Mai einen Jubiläumsabend. 10 Jahre nach Baubeginn unserer Zuchtanlage konnten wir 1991 den 2. Bauabschnitt beginnen. Dies sicherte genügend Kapazität für die züchterische Zukunft unseres Vereines. Bereits ein Jahr später, bei unserem Mitgliedertreff im August, konnten wir die Einweihung dieser Zuchtanlagen-Erweiterung feiern. Die Jahre darauf waren geprägt von vielerlei Arbeiten und Verbesserungen an der Zuchtanlage, Zelt und Lokalschau. Ein herausragendes Ereignis war 1994 das 100-jährige Jubiläum der Sielminger Bank mit Heimatfest. Wie die anderen Sielminger Vereine leisteten wir auch unseren Beitrag zum Zeltaufbau und bei der Bewirtung. Wir beteiligten uns am Festprogramm und mit einem Festwagen am Umzug. Im Jahr 1997 verstarb unser Ehrenvorsitzender, Heinz Weinmann, und hinterlies eine nicht zu schließende Lücke. Ihm widmeten wir die Lokalschau als Gedächtnisschau. 1998 beteiligten wir uns beim 100-jährigen Jubiläum des TSV-Sielmingen. Die Jugendgruppe nahm als 7-Schwaben kostümiert am Festumzug teil, sowie unsere aktiven Züchter mit einem Festwagen. Trotz stagnierenden Ausstellungszahlen beteiligten wir uns auch in den folgenden Jahren auf Lokal- Kreisschauen, sowie auch an Bundes- und Vergleichsschauen recht erfolgreich. Im Jahr 2005 feierte der Verein sein 75-jähriges Jubiläum. Wie die Chronik gezeigt hat, war der Weg dahin von häufigen auf und Ab geprägt. Früher wie heute sind es dieselben Kräfte, die einen Verein über die Jahre bestehen lassen. Idealismus, Opferbereitschaft, sowie der Einsatz Einzelner, Kameradschaft und Teamarbeit ließen den Verein einen Weltkrieg überstehen. So lange Mitglieder in einer Gruppe über die individuellen Interessen und einen nicht unerheblichen Teil der knapp bemessenen Freizeit der Gemeinschaft zur Verfügung stellen, wird der Kleintierzuchtverein auch in Zukunft weiter bestehen.